Durchführung eines Tastings
Zu diesem Thema habe ich ein kleines Booklet mit 36 Seiten geschrieben. Die gesamte Tiefe dieses Inhalts hier darzustellen, wäre jedoch schwer bzw. zu umfangreich. Um Euch Leser nicht mit zu viel Text zu erschlagen, habe ich die Themen in ausklappbare Felder gegliedert. So könnt Ihr gezielt die Bereiche auswählen, die Euch interessieren und nach Belieben entdecken
Entdeckt, wie sorgfältige Planung den Unterschied zwischen einem normalen und einem großartigen Tasting-Erlebnis macht. Dieses essenzielle Thema wird in den meisten Büchern entweder gar nicht oder nur oberflächlich behandelt.
⏳ Die Vorbereitung – Das A und O eines Tastings
Natürlich könnte man einfach Gäste einladen, Flaschen aus dem Schrank holen und spontan etwas über die jeweilige Abfüllung oder Destillerie erzählen. Doch das macht meist weder dem Gastgeber noch den Teilnehmern wirklich Spaß. Für bloßen Alkoholkonsum ist ein Single Malt (zumindest in meinen Augen) einfach zu schade.
Was gehört zur Vorbereitung?
- Auswahl der Abfüllungen (siehe: Reihenfolge)
- Vorbereitung der Hilfsmittel (siehe: Material)
- Vorbereitung der Tasting-Teilnehmer
Doch nun zu einem Punkt, den ich für besonders wichtig halte:
Ich sehe förmlich einige Leser, die an dieser Stelle skeptisch die Stirn runzeln oder den Satz verwirrt noch einmal lesen.
Was ist damit gemeint? Wie sollen Teilnehmer vorbereitet werden? Ein Seminar im Vorfeld? Ein Datenblatt der Abfüllungen zum Auswendiglernen? Entspannungsmassagen und Fächeln mit frischer Luft?
Nein! Es geht vielmehr darum, die Geschmackssinne aller Teilnehmer auf einen gemeinsamen Ausgangspunkt einzustellen. Genau hierzu findet man in der einschlägigen Literatur so gut wie nichts – und das möchte ich ändern.
🥃 Geschmackskalibrierung beim Tasting
Stellen wir uns fünf Teilnehmer eines Tastings vor, die direkt vom Abendessen kommen:
Damit sind alle fünf Geschmacksrichtungen abgedeckt:
- Salzig
- Süß
- Bitter
- Umami
- Sauer
Nun servieren wir die erste Abfüllung. Was wird wohl jeder Teilnehmer schmecken? Jeder hat noch die Nachwirkungen seines Essens am Gaumen, was das Geschmacksprofil massiv beeinflusst. Das führt zu einer breiten Palette an Wahrnehmungen – von Gummibärchen über Gras, Plastik bis hin zu Metall ... bei derselben Abfüllung.
Vielleicht hat das jeder schon beim Frühstück erlebt: Nach einem herzhaften Salamibrötchen trinkt man einen süßen Fruchtsaft, wechselt dann zu Erdbeermarmelade – und plötzlich erscheint der gleiche Saft gar nicht mehr so süß.
Zurück zum Tasting: Um solche Unterschiede zu minimieren, halte ich es für entscheidend, den Geschmackssinn aller Teilnehmer anzugleichen – quasi zu "kalibrieren".
Snacks vor dem Tasting- Hausgemachte Frikadellen
- Mini-Pizzen
- Mildes Gulasch
- oder einfach: Salzcracker
Tipp: Vermeidet allzu würzige oder scharfe Speisen, da sie die Geschmacksknospen überreizen. Ein Chili-con-Carne oder ein stark gewürztes Curry sind weniger ideal, da sie die Geschmacksknospen überreizen. Diese Gerichte sättigen zwar und mildern den Alkohol durch Fette, betäuben jedoch gleichzeitig die Sinne, die wir fürs Tasting dringend brauchen.
Snacks während des TastingsAuch während des Tastings sind neutrale oder neutralisierende Snacks sinnvoll, um den Geschmack des vorherigen Whiskys zu neutralisieren. Dazu eignen sich:
Stellt euch vor, zwischen Glas vier und fünf eine Handvoll Erdnuss-Flips oder Peperoni-Chips zu essen – und dann einen hochwertigen Whisky zu probieren. Die Wahrscheinlichkeit, dass der Geschmack negativ verfälscht wird, ist groß.
Der Abschluss der Vorbereitung: Der Kalibrierungs-Whisky
Das i-Tüpfelchen der geschmacklichen Vorbereitung ist, den Gaumen bewusst auf den Wechsel von fester Nahrung hin zum Alkohol einzustimmen – quasi mit einem klaren Signal: "ACHTUNG! Jetzt geht's los!"
Selbst die neutralsten Snacks hinterlassen Spuren auf dem Gaumen, die den Geschmack des Whiskys beeinflussen können. Um dem entgegenzuwirken und die Sinne auf das Whisky-Erlebnis auszurichten, nutzen wir in unserem Club den sogenannten "Kalibrierungs-Whisky".
Was ist ein Kalibrierungs-Whisky?Ein einfacher Tropfen: Ideal ist ein unkomplizierter Whisky, etwa ein 10-jähriger Standard-Speyside oder gar ein Blend. Hochwertige oder komplexe Abfüllungen sind hier fehl am Platz, da sie später in der Verkostung ihren Moment verdienen.
Die Menge: Eine kleine Menge von 1 cl reicht aus, um den Gaumen auf den Whiskygeschmack einzustimmen.
Zweck und VorgehenDer Kalibrierungsschluck wird weder bewertet noch diskutiert. Er dient ausschließlich der Vorbereitung und sorgt dafür, dass die Geschmacksknospen auf den Whisky eingestellt sind. Der Unterschied beim ersten Whisky der Verkostung ist dadurch deutlich spürbar – ein faszinierender Effekt, den jeder Teilnehmer schnell schätzen lernt.
Hier erfahrt ihr, warum das richtige Material ein echter Gamechanger sein kann.
🥃 Die richtige Gläserorganisation
Natürlich kann man den Teilnehmern ein Glas nach dem anderen ausgeben. Die Qualität der Abfüllungen bleibt dadurch unverändert – aber: Wo lässt man die Gläser, wenn man gerade nicht trinkt?
- Das erste Glas steht vielleicht links neben der Blumenvase, das zweite vor den Salzstangen. Chaos vorprogrammiert!
- Oder man muss das erste Glas leeren, bevor man ein zweites bekommt – das wäre schade.
Tipp: Ausreichend Gläser und ein klar strukturierter Platz für diese sorgen für Ordnung und erleichtern die Verkostung erheblich.
📝 Persönliche Notizen
Notizen zu den Abfüllungen sind äußerst hilfreich – besonders, wenn man Tage oder Wochen später zurückblicken möchte, um die geniale Abfüllung herauszufinden, die man unbedingt selbst kaufen wollte!
📚 Hintergrundinformationen
Bereitgestellte Infos zu den Abfüllungen runden das Erlebnis ab:
- Sie bieten wertvolle Einblicke in die Destillerien und deren Geschichte.
- Sie machen das Tasting interessanter und spannender für die Teilnehmer.
Daher lohnt es sich, das Thema Material ernst zu nehmen und sorgfältig vorzubereiten. Denn es sind genau diese Details, die ein Tasting von gut zu großartig heben können!
Daher stelle ich Euch hier in gewohnter Weise einige Punkte zum Thema Material vor:
In unserem Club nutzen wir speziell vorbereitete Vordrucke, die das Tasting sowohl für die Teilnehmer als auch für den Gastgeber erleichtern. Diese umfassen:
🥃1. Untersetzer für Gläser

Auf den Untersetzern sind Zahlen von 1 bis 4 oder 6 abgebildet – je nach Anzahl der Abfüllungen im Tasting. Die Größe des Kreises entspricht genau dem Fuß des Tastingglases, sodass das Glas passgenau abgestellt werden kann. So weiß jeder stets, welches Glas zu welcher Abfüllung gehört. Besonders bei unserem Ansatz, nicht erst ein Glas zu leeren, bevor das nächste probiert wird, ist diese Zuordnung essenziell. Auf diese Weise kann man auch später noch zwei Abfüllungen direkt vergleichen.
Für eine individuelle Note können die Kreise mit einem verkleinerten Bild der jeweiligen Abfüllung versehen werden – was natürlich einen grösseren Aufwand bedarf.
📝2. Tastingnotizen
Unsere normierten Tasting-Notizbögen haben sich im Laufe der Jahre bewährt und bieten den Teilnehmern eine umfassende Orientierung. Sie umfassen:- Beschreibung der Abfüllung (Destillerie, Region, Besonderheiten, Alter, Alkoholgehalt).
- Vier Bewertungsbereiche: Aussehen, Aroma, Geschmack und Nachklang. Insgesamt können in diesen Kategorien maximal 100 Punkte vergeben werden.
- Eine Spalte "Beurteilung" mit hilfreichen Stichworten zur Unterstützung bei der Beschreibung.

Ein Beispiel davon könnt Ihr im Downloadbereich herunterladen.
📊3. Übersicht der Abfüllungen
Ein weiteres, etwas aufwendigeres Dokument, das wir häufig verteilen, ist eine Übersicht aller Abfüllungen des Tastings. Diese enthält:
- Bilder der jeweiligen Flaschen.
- Offizielle Angaben zu Aroma und Geschmack.
- Gegebenenfalls Bezugsadressen und Preise.
Diese drei Vordrucke sorgen nicht nur für Struktur während des Tastings, sondern bereichern auch das gesamte Erlebnis. Sie bieten die Möglichkeit, sich später noch einmal an besonders bemerkenswerte Abfüllungen zu erinnern und erleichtern das Vergleichen der verschiedenen Whiskys.
Zum Thema Material gehört auch die Glaswahl – ein wichtiger Aspekt, dem ich einen eigenen Eintrag im Info-Bereich gewidmet habe.
Nur der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass die Gläser vor jedem Tasting gründlich gereinigt und poliert werden sollten. So wird sichergestellt, dass keine Rückstände oder Fremdgerüche den Geschmack des Whiskys beeinträchtigen. Dies sollte selbstverständlich sein.
Ein weiterer entscheidender Punkt ist, dass die Gläser eines Flights, Ein Flight ist eine einzelne Verprobungsrunde bei einem Tasting. Also die Abfüllungen des Tastings. sofern möglich, alle identisch sein sollten.
Ein Vergleich:

2.Reihe: Bugatti-, Harmony-, Bugattiglas
Rechter Flight: Alles Bugattigläser
Entscheidet selber, was Ihr lieber vor Euch haben möchtet...
Bei einem Tasting mit sieben Gästen – inklusive mir also acht Personen – benötige ich 8x6 Gläser. Zählt man den Kalibrierungsschluck hinzu, sind es sogar 8x7, also insgesamt 56 möglichst identische Gläser. Einheitliche Gläser sorgen für eine harmonische Optik und lenken die Teilnehmer nicht unnötig ab.
Falls keine 56 identischen Gläser verfügbar sind, sollte zumindest der Flight für jeden Teilnehmer aus einem einzigen Glastyp bestehen. Beispielsweise könnten die Teilnehmer 1 bis 5 Bugatti-Gläser erhalten, und die Teilnehmer 6 bis 8 Stielgläser.
🕰️ Uhrgläser : Schutz für das Aroma
Wenn ich bei einem Tasting allein verantwortlich bin und keine helfende Hand zur Verfügung steht, kann es sinnvoll sein, die Abfüllungen bereits vor Beginn in die Gläser zu schenken – statt erst direkt vor der nächsten Runde. Allerdings birgt das den Nachteil, dass die letzten Abfüllungen zu lange offen im Glas stehen und dadurch ihr Aroma verlieren.

Um diesem Problem entgegenzuwirken, nutze ich sogenannte Uhrgläser, um die Tasting-Gläser abzudecken (siehe rechts). Dank ihrer leichten Wölbung passen diese perfekt auf die Öffnungen der meisten Tasting-Gläser und bewahren das Aroma zuverlässig, bis das Tasting abgeschlossen ist.
Solche Uhrgläser sind in Spirituosen-Fachgeschäften erhältlich und eine simple, aber wirkungsvolle Lösung, um die Qualität des Whiskys zu sichern.
Eine angenehme Atmosphäre ist essenziell für ein gelungenes Tasting. Jeder Teilnehmer sollte ausreichend Platz haben – nicht nur für sich selbst, sondern auch für seine Gläser, Notizen und weiteres Material.
Leider habe ich selbst bei professionellen Tastings schon erlebt, dass man Schulter an Schulter saß oder der Tisch zu klein war, um auch nur die nötigsten Notizen zu machen. Daher einige Tipps:
Wichtige Punkte für den Tisch:
- Die Tastinggläser
- Ein Wasserglas pro Teilnehmer
- Karaffen oder Flaschen mit Wasser
- Notizbögen
- Snacks
Wenn zu Beginn nur ein kleiner Snack als Fingerfood serviert wird, kann das durchaus im Stehen erfolgen. Aber für ein gehobenes Tasting sollte immer eine Sitzgelegenheit bereitstehen. Stellt sicher, dass die Sitzmöglichkeiten bequem genug sind, um sich entspannt zurückzulehnen – besonders, wenn eine herausragende Abfüllung verkostet wird. Hocker sind in diesem Fall keine ideale Wahl! ;-)
Pro oder Kontra 💦 Wasser
Das Thema Wasser bei Single Malts, insbesondere bei Fassstärken, ist oft Gegenstand lebhafter Diskussionen. Für mich gibt es dabei kein "richtig" oder "falsch". Dennoch begegnet man immer wieder Menschen, die darauf bestehen: "Whisky DARF man nur pur trinken!"
Meine persönliche Meinung dazu: Trinken, ja – aber beim Genießen gehört für mich meistens ein wenig Wasser dazu. Letztendlich ist es eine Frage des individuellen Geschmacks, ob man die 40 bis 65 Volumenprozent lieber pur oder leicht verdünnt genießen möchte.
Gerade beim Tasting können "ein paar Tropfen" 💧💧💧 genau die richtige Wahl sein, um den Whisky zu öffnen und weitere Nuancen freizulegen. Aus diesem Grund stelle ich bei unseren Tastings immer einen kleinen Wasserkrug mit einer Pipette bereit. So hat jeder Teilnehmer die Möglichkeit, die gewünschte Wassermenge präzise zu portionieren.

Erfahrt, wie die perfekte Reihenfolge der Abfüllungen euren Geschmackssinn maximieren kann. Sie kann den Unterschied zwischen einem erstklassigen Erlebnis und einem gefühlt durchschnittlichen Whisky ausmachen – schlimmstenfalls neutralisiert eine falsche Reihenfolge den Geschmack der vorigen Abfüllung vollständig.
📜 Reihenfolge der Abfüllungen: Meisterstück der Planung
⚖️ Die Anzahl der Abfüllungen
Besonders bei Abfüllungen in Fassstärke ist Vorsicht geboten: Sechs Abfüllungen bei hoher Alkoholstärke können leicht zu viel werden. Die Alkoholstärke sollte also die Anzahl der Proben im Tasting maßgeblich bestimmen – andernfalls können die letzten Verkostungen eher unscharf beschrieben werden („Sssmeckt klassse!“).
🍷 Generelle Reihenfolge
- Von leicht zu schwer
- Von fruchtig zu rauchig
- Von jung zu alt
- Von Lowland über Speyside, Highland, Island nach Islay
Beachtet die Alkoholstärke: Eine 40%-ige Abfüllung sollte nicht direkt hinter einer Fassstärke serviert werden.
🛠️ Tipps zur Zusammenstellung
Ein paar Gedanken, wie ich ein Tasting zusammenstelle:
- 🍹 Beginne mit leichten und fruchtigen Abfüllungen (40–43%), z. B. mit einem Rum- oder Süßwein-Finish.
- 🔥 Steigere zu kräftigeren und älteren Whiskys mit höherem Alkoholgehalt.
- 🏝️ Platziere Insel-Whiskys oder Sherry-Bomben vor den rauchigen Islay-Abfüllungen.
🎯 Ein spezielles Beispiel
Nach den ersten drei perfekt positionierten Abfüllungen bleiben:
- Ein Speyside, 22 Jahre im Sherryfass gelagert (60%)
- Ein Islay, 12 Jahre alt (43%)
- Ein Islay, 16 Jahre alt von einem unabhängigen Abfüller (46%)
Achtung: Hochprozentige Sherrybomben mit hohem Alter können jüngere Islay-Abfüllungen geschmacklich überdecken. Deshalb: Den 22-jährigen Speyside nach hinten stellen.
💡 Der beste Tipp
Was tun bei unbekannten Abfüllungen? Das wollt Ihr jetzt bestimmt nicht lesen, aber ...
Verlasst Euch auf Euer Bauchgefühl!
Mit genügend Erfahrung könnt Ihr anhand der Flaschenangaben Rückschlüsse ziehen.
Ihr seht also, das Thema der Reihenfolge ist nicht unbedingt einfach! Ich hoffe, dass ich Euch hiermit ein paar Anregungen geben konnte.
Schaut euch die entscheidenden Schritte an, die euer Tasting zu einem Erlebnis machen.
🍷 Durchführung: Vom Start bis zum Genuss
Bei einem Treffen in kleiner Club-Runde entfällt meist der förmliche Start – das Tasting gleitet ganz natürlich dahin, sobald alle Gäste angekommen sind. Oft beginnt man mit einer lockeren Frage wie: „Wollen wir loslegen?“ oder etwas Ähnlichem.
Wenn sich die Teilnehmer noch nicht kennen, vermeidet langweilige Standardfloskeln wie: „Ich freue mich, dass ich Sie heute Abend begrüßen kann.“ Stattdessen: Stellt eine Frage oder provoziert das Publikum, um die Aufmerksamkeit auf euch zu lenken. Eine Behauptung wie: „Es gibt zwei Gründe, warum ich Single Malt überhaupt nicht mag...“ kann wunderbar funktionieren – vorausgesetzt, ihr habt eine unterhaltsame Erklärung parat.
Tipp: Haltet Blickkontakt! Ein Moderator, der ausschließlich vom Blatt abliest oder ins Glas vertieft ist, hinterlässt keinen guten Eindruck.
🛠️ Die Durchführung: Entspannt und vorbereitet
Wenn die Vorbereitung perfekt ist, läuft die Durchführung fast wie von selbst. Nachdem die Gäste Platz genommen haben, wird das erste Glas serviert. Sollten alle sechs Abfüllungen bereits vor Beginn ins Glas gefüllt worden sein (mit Uhrgläsern abgedeckt), stellt keinesfalls direkt alle Gläser auf die Unterlage der Teilnehmer. Das macht nur neugierig – und verleitet dazu, schon einmal an Glas #4 zu schnuppern, bevor überhaupt Glas #1 an der Reihe war.
Empfehlung: Die Gläser ruhig vorher füllen, aber im Nebenraum lagern oder an einem Ort, der für die Teilnehmer unzugänglich ist. So bleibt die Spannung erhalten.
Nachdem die erste Abfüllung verkostet wurde, verratet, was sich im Glas befindet, und liefert interessante Hintergrundinformationen zu Abfüllung und Destille. Langeweile durch Fakten wie „Gegründet 1897“ oder „Jahresvolumen 15 Millionen Hektoliter“ sollte vermieden werden.
🙈 Blind-Tasting: Mehr als ein Spiel
Was versteht man unter einem Blind-Tasting? Sollten die Teilnehmer Augenbinden tragen? Natürlich nicht – schließlich ist dies kein Kindergeburtstag! Ein Blind-Tasting bedeutet, dass die Teilnehmer zu Beginn nicht wissen, welche Abfüllungen und Destillen verkostet werden.
Vorteil: Keine Vorurteile für oder gegen eine Destille. Selbst erfahrene Kenner sind nicht davor gefeit, dem Halo-Effekt zu erliegen:
- „Diese Destille kenne ich und mag sie nicht – also wird mir diese Abfüllung auch nicht schmecken.“
- „Die Destille hatte bisher nur geniale Abfüllungen – also wird diese auch gut sein!“
Tipp: Lasst eure Teilnehmer im Unklaren darüber, was sie im Glas haben. Erst nachdem sie sich eine eigene Meinung gebildet haben, könnt ihr die Informationen teilen. Aber verratet im Voraus den Alkoholgehalt – um unliebsame Überraschungen zu vermeiden!
🔍 Wie wird richtig getastet?
Was man immer wieder sieht und komplett verkehrt ist: Das Glas wird in die Hand genommen und sofort geschwenkt, als ob man Flaggenzeichen geben möchte, um danach die Nase tief ins Glas zu halten. Au weia!
Tipp: Durch das Schwenken lösen sich viele Alkoholmoleküle, die den Geruchssinn für Minuten lahmlegen! Das Glas zunächst nicht schwenken und die Nase nicht vollständig hineinstecken. So erlebt man den Destillen-Charakter. Erst danach leicht schwenken und erneut riechen – jetzt erkennt man die Abfüllungs-Nuancen.
👣 Beurteilung des Whiskys in 4 Schritten
Was kann man von der reinen Anmutung eines Single Malts im Glas erkennen? Mehr, als man denkt!
Farbe des Whiskys:
Ein Teilnehmer fragt Euch, ob dieser sehr dunkle Whisky besser ist, als der hellere im Glas vorher.
Was sagt uns die Farbe des Whiskys?
Ihr müsst jetzt sehr tapfer sein:
Das wird vielleicht einige oder viele von Euch erschrecken, aber die Antwort darauf lautet:
Im schlimmsten Falle gar nichts!
Da viele Whiskys mit Zuckercouleur versetzt sind, mit dem man Wasser farblich zu Balsamico-Essig machen kann. Dies täuscht oft eine ältere, hochwertigere Abfüllung vor.
Ein Beispiel aus einem unserer Tastings: Ein heller Whisky wurde in zwei Flaschen geteilt, eine Hälfte mit Zuckercouleur versetzt. Der dunklere Whisky erhielt durchschnittlich 10 Punkte mehr im Tasting!
In Deutschland muss die Zugabe von Zuckercouleur auf dem Etikett angegeben werden, jedoch nicht in allen Ländern. Blasse Whiskys stammen meist aus Ex-Bourbon-Fässern, dunkle aus Sherry-Fässern – doch auch hier gibt es Ausnahmen.
In Deutschland muss auf dem Etikett ausgewiesen sein, dass Farbe zugesetzt worden ist - in vielen anderen Ländern muss das nicht gemacht werden. Daher sollte das Etikett genau untersucht werden. Ist kein Alter angegeben und die Abfüllung ist sehr dunkel, sollte auf dem Etikett gesucht werden, ob dort ein Hinweis auf Zuckercouleur angegeben ist.
Es gibt keinen Hinweis auf Zuckercouleur aber das Etikett ist nicht deutschsprachig: auch hier ist Vorsicht angebracht!
Aber wenn nachweislich KEIN Zuckercouleur zugesetzt worden ist, und die Farbe richtig tiefdunkel ist, kann man meistens von einer relativ alten Sherry-Abfüllung ausgehen. Blasse Whiskys sind meistens in einem Ex Bourbon-Fass gereift. Aber um es Euch nicht allzu leicht zu machen: Auch hier gibt es Ausnahmen und richtig dunkle Abfüllungen können durchaus auch aus einem Bourbon-Fass kommen.
Es gibt in einem Tasting immer wieder die Schwierigkeit, die Farbe einer Abfüllung korrekt zu benennen. Daher habe ich in der folgenden Tabelle die gängigen Bezeichnungen für mögliche Farben bei Single Malts zusammengestellt:
Mögliche Farbbezeichnungen:
Klar | Weißgold | Strohgelb |
Blassgold | Gelbgold | Bernstein |
Honiggold | Karamellbraun | Kupferrot |
Kastanienbraun | Mahagoni | Tiefrotbraun |
Schokoladenbraun | Mokka | Espresso |
💧 Legs (Beine, Tränen, Nasen, Kirchenfenster)
Es gibt viele Namen für die Schlieren, die sich am Glasinneren bilden, wenn man das Glas schwenkt. Ich bleibe mal bei dem Begriff Tränen.
Hier könnt Ihr das erste Mal glänzen oder Euch auch zum Affen machen. Denn dies ist ein kontrovers diskutiertes Thema! Eigentlich müsste hier erstmal eine wissenschaftliche Abhandlung über Oberflächenspannung, Marangoni-Effekt ,
Die Schwarmweisheit (oder ist es dieser Stelle -dummheit?), sowie viele Whisky-Experten sind der Meinung, dass dicke, sich langsam bewegende Tränen Körper und Textur anzeigen. Auf der anderen Seite gibt es viele andere Experten, die sagen, dass dies ein Mythos sei.
Einigkeit herrscht aber bei: Tränen können den Alkoholgehalt anzeigen:
- Alkoholreich: starke Tränen und spitzbogige Tränen
- Alkoholarm: schwache Tränen und rundbogige Tränen
Ich habe in langen, zeitraubenden empirischen Feldversuchen für mich folgendes herausgefunden:
- Schnell laufende Tränen: hoher Alkoholgehalt
- Kleine Tränen: junge Abfüllung
- Langsame Tränen: geringer Alkoholgehalt
- Dicke Tränen: höheres Alter
Über die Qualität der Abfüllung sagen Tränen jedoch nichts aus.
Oder, wenn ich Katelyn Best (Kolumnistin thewhiskywatch.com) zitieren darf:
2.Mai 2017 thewhiskeywash.com
Dieses Thema wird ausführlich im Infobereich-Aromen erklärt.
Wie bereits eingangs in diesem Kapitel geschrieben: Zunächst am ungeschwenkten Glas schnuppern und die Aromen aufnehmen, dabei die Nase möglichst nur am Rand des Glases halten.
Dann das Glas 2–3 Mal ruhig kreisen lassen. Jetzt kann man die Aromen erneut aufnehmen und sogar die „Tränen“ – also die Schlieren am Glas – analysieren.
Falls ihr nicht zu der kleinen Gruppe gehört, die eine „Supernase“ besitzt, gibt es hier wenig Spielraum, um aufzutrumpfen. Tauscht eure Erkenntnisse mit den anderen Gästen aus und motiviert euch gegenseitig.
Die Aromen im Whisky sind extrem vielfältig. Für Neulinge ist ein sogenanntes Aromarad oder Nosing-Wheel empfehlenswert, das in verschiedenen Varianten im Internet verfügbar ist. Es gibt dabei jedoch kein einheitliches Muster – selbst die sechs Grundaromen können variieren.
Eine Variante, die mir gut gefällt, lautet:
- Holzig
- Malzig
- Duftig
- Fruchtig
- Torfig
- Streng
Erst jetzt dürfen die Lippen erstmals mit der kostbaren Flüssigkeit in Kontakt treten. Notiert sofort euren spontanen Eindruck, und lasst dann den Geschmack etwas tiefer wirken. Welche Geschmacksrichtungen könnt ihr noch entdecken?
Lasst eurer Fantasie freien Lauf und verwendet alle Begriffe, die euch spontan einfallen – sei es frisch, leicht, kräftig oder subtil. Überlegt, ob der Whisky eher süß oder salzig schmeckt.
Falls die Abfüllung zu stark wirkt oder dieses bekannte Kratzen in der Kehle einsetzt, gebt vorsichtig etwas Wasser hinzu.
Schon 2–4 Tropfen können den Whisky intensiver erscheinen lassen –
obwohl das Wasser den Eindruck normalerweise weicher machen sollte.
Erst ab etwa 5 Tropfen wird der Geschmack als weicher empfunden.
(siehe Aromen - Chemische Details)
Wenn Ihr gefragt werdet, warum sich manche Whiskys eintrüben, wenn man sie mit Wasser verdünnt, hier die chemisch korrekte Antwort:
Im Whisky sind alkohollösliche Bestandteile enthalten, die in Wasser jedoch schlecht löslich sind. Erhöht man nun den Wasseranteil, so dauert es eine gewisse Zeit, bis sich diese Bestandteile wieder an den Alkohol anlagern und der Whisky wieder klar wird.
Diese vorübergehende Eintrübung hat jedoch keine Auswirkungen auf den Geschmack.
Hier ist Geduld gefragt: Was schmeckt ihr 10 Sekunden oder eine Minute nach dem ersten Kontakt? Hat sich der Geschmack weiter entwickelt, bleibt er lange auf dem Gaumen haften oder verflüchtigt er sich rasch?
Ein Beispiel: In einem Tasting habe ich einmal einen Blend verkostet, dessen Geschmack überraschend intensiv war – jedoch fast sofort im Mund verpuffte. Im Gegensatz dazu konnte ich bei einem 22-jährigen Whisky den Nachklang sogar am nächsten Morgen noch schmecken.
Der Nachklang liefert oft wertvolle Hinweise auf die Komplexität und Qualität der Abfüllung. Nehmt euch Zeit, ihn zu analysieren, und diskutiert eure Eindrücke mit den anderen Tasting-Teilnehmern.
